Mit 35 Jahren ist er heute Wirt vom Café Käthe, Ortsbeiratsmitglied, Vorstandsvorsitzender im KTV-Verein und gehört zu den Organisatoren des Christopher Street Days. Andy Szabó aufgewachsen in Lichtenhagen. Wer steckt hinter der Fassade? Und wie denkt ein engagierter Unternehmer der KTV über die Leute?

Wirt vom Café Käthe: Andy Szabó
Ein Interview von Sophie Berganski mit Andy Szabó.
Seit wann leben Sie hier in der Vorstadt?
Szabó: Ich bin 2013 in die KTV gezogen.
Hat sich die KTV verändert?
Szabó: Also in den letzten fünf Jahren kann man auf alle Fälle beobachten, dass es immer weniger unrenovierte Häuser und mehr unterschiedliche Läden gibt, die in den Straßen aufmachen. Es ist ein florierender Wechsel. Einige Läden machen zu, dafür machen andere wieder auf. Einfach ein schönes buntes Miteinander.
Was verbindet Sie mit der Vorstadt?
Szabó: Natürlich die Menschen, die hier leben.
Was finden Sie besonders schön hier?
Szabó: Bei einem KTV- Fest sieht man, wie bunt alles sein kann und wie lieb und toll die Leute miteinander umgehen. Das ist schon ein schönes Erlebnis.
Gibt es auch etwas, was Ihnen total auf die Nerven geht?
Szabó: Nö. Alle Aspekte gehören zum Stadtteil dazu. Die älteren Herrschaften, die über den Markt schlendern; die jüngeren, meist alkoholisierten, Studierenden die nachts durch die Straßen gehen und etwas lauter sind; die Bars und die Läden die es hier gibt. Es ist nichts, was großartig negativ hervorspringt.
Sie sind Vorsitzender des KTV- Vereins. Seit wann sind Sie Mitglied?
Szabó: Ich bin unmittelbar, nachdem ich das Käthe eröffnet habe, Mitglied geworden. Also Mitte 2014 und eher als ruhiger, beobachtender Teilnehmer. Ich habe an einigen Sitzungen teilgenommen. Im November 2017 bin ich dann in den Vorstand gewählt worden.
Sophie: Wie kam es zu dem Entschluss, dort mitwirken zu wollen?
Szabó: Ich finde es ist für mich, als Unternehmer und Anwohner, eine Pflicht, da mit zumachen. Einfach um die KTV mitzugestalten und ein Bestandteil der Vorstadt zu sein. Gerade bei verschiedenen Festen und Veranstaltungen mitzuwirken.
Sie sind ebenfalls Vorsitzender des CSD- Vereins. Seit wann?
Szabó: Seit November 2016.
Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Demonstrations- und Gedenktag an den Stonewall-Aufstand in New York 1969. Homosexuelle und Transsexuelle haben sich das erste Mal getraut, sich der Polizei zu widersetzen, als diese eine Razzia in der Bar Stonewall Inn durchführte. Die Bar befand sich in der Christopher Street. So wurde die Straße zum Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung.
An diesem Tag wird für die Rechte von Lesben, Schwule, Bisexuelle Transgender, Trabsexuellen, Intersexuellen und anderen queeren Menschen, sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung demonstriert. Neben der CSD-Parade und den Abschlusskundgebungen gibt es in vielen Städten häufig ein- bis mehrtägige Straßenfeste und Kulturwochen mit bekannten Künstlern, politischen Veranstaltungen, Vorträgen, Lesungen und Partys. So wird jedes Jahr erneut laut, bunt und schrill aufmerksam gemacht. Organisiert werden die CSDs häufig in Vereinen. In englischsprachigen und romanischen Ländern wird von Gay Pride und Pride Parades gesprochen, statt von einem Christopher Street Day.
Die CSD- Demonstrationen in Deutschland finden nicht genau an dem historischen Datum, also dem 28. Juni, sondern an den Wochenenden von Juni bis August statt.

Quelle: Wikimedia.org
Was wurde durch den Christopher Street Day bisher in Deutschland erreicht?
Szabó: Seit 50 Jahren hat sich in der politischen Bewegung der Christopher Street Days in Deutschland sehr viel getan. Der politische Erfolg ist wohl größtenteils bekannt: Gesetze wurden angepasst. Erst kam die eingetragene Lebenspartnerschaft, jetzt darf geheiratet werden und die Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare ein Kind zu adoptieren wurden verbessert.
Nun geht es weiter mit der Angleichung des Transexuellen- Gesetzes, sowie die Aufnahme der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes, um so den Verbot einer Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen einen Verfassungsrang zu geben.
Wie nehmen Sie die gesellschaftliche Stimmung, in Bezug auf Diskriminierung, wahr?
Szabó: Aufgrund des Erstarkens der rechtspopulistischen oder der rechtsgerichteten Szene ist zu spüren, dass seit zwei/ drei Jahren, die gesellschaftliche Stimmung teilweise wieder kippt. Ich stelle schon fest, dass es kräftiger und deftiger geworden ist. Entweder gab es das vorher nicht oder es ist einem nicht aufgefallen. Allein durch die Ausdrucksweise, gerade in den sozialen Netzwerken, ist es spürbar. Ein Hasskommentar ist eben schneller geschrieben, als ein Brief.
Was tun Sie dagegen?
Szabó: An Akzeptanzen, welche im Vorfeld erarbeitet wurden muss man jetzt festhalten und man muss sie verteidigen. Je radikaler eine Gesellschaft wird, umso mehr bemüht sie sich auf der anderen Seite mitzuwirken. Es hat sich herausgestellt, dass in den letzten Jahren stetig mehr Besucher beim CSD dabei waren, um zu zeigen, dass man die Mehrheit ist.
Was ist bei der Organisation des CSDs am schwierigsten?
Szabó: Am kompliziertesten ist es, helfende Hände zu finden. Menschen dazu zubringen eben nicht nur an diesem Tag vorbeizukommen und dafür einzustehen, sondern auch die Arbeit im Vorfeld wertzuschätzen. Im Verein mitzuwirken, Stände zu betreuen oder auch, wenn es darum geht Flyer zu erstellen oder Banner zu basteln.
Wann beginnen Sie mit der Organisation?
Szabó: Nachdem CSD ist vor dem CSD. Es gibt ungefähr einen Monat Pause. Der CSD ist bei uns in Rostock immer am dritten Samstag im Juli. Demnach ist der August Zeit sich auszuruhen und am ersten Montag im September beginnt der CSD- Stammtisch, dass ist eine offenes Treffen für alle Interessierte. Dort wird sich erstmal ausgetauscht: was war gut, was war schlecht, was kann man verbessern, was wollen wir wiederholen… Weitergemacht wird dann mit der Auswahl des Mottos und der Künstler. (Motto dieses Jahres: „Akzeptanz beginnt im Kopf – Kein Schritt zurück!“ )
Wo trefft ihr euch?
Szabó: Zurzeit ist es der erste Montag im Monat ab 18:30 im europäischen Integrationszentrum (EIZ). Momentan sind wir dabei es etwas zu beleben, indem wir uns ab Januar in unterschiedlichen Gaststätten treffen. Die Orte teilen wir dann immer per Facebook, Instagram oder Google mit.
Soweit ich weiß, wohnen Sie mit einem Mann zusammen. Hat diese Tatsache Sie bei der Wohnortsuche eingeschränkt?
Szabó: Überhaupt nicht! Ich bin mit meinem Mann seit 15 Jahren zusammen und seit diesem Jahr verheiratet. Einschränkungen gab es weder bei mir persönlich, noch bei den Vermietern.
Haben Sie hier schon mal Anfeindungen erlebt?
Szabó: Es ist die Frage, wie man sich gibt und wie man selbst damit umgeht. Was man als Anfeindung wahrnimmt. Ich glaube, das hat auch mit dem inneren Selbst und dem Selbstbewusstsein zu tun, denn Anfeindung muss ja auch als solches wahrgenommen werden. Wenn jemand einen schlechten Spruch macht, hat dieser einen schlechten Tag aber das verändert nicht meinen Tag. Weder in der Arbeit beim KTV- Verein, noch als Inhaber als Cafe Käthe ist meine Sexualität nie Thema gewesen. Warum auch? Ist ja kein Bestandteil meiner Arbeit.
Neben diesen beiden Vereinen haben Sie noch das Café Käthe und das b sieben. Planen Sie noch weitere Projekte in Form von Geschäften oder Vereinen?
Szabó: Nein. 2016 haben wir eine Cocktail- und Tapasbar aufgemacht, doch die Umsetzung und die Personalfindung war nicht so einfach, daher haben wir uns entschieden, unser Hauptaugenmerk, wieder auf unsere ersten beiden Läden zu setzen.
Gibt es zwischen den kleineren Läden hier in der Straße auch Kooperationen oder macht jeder sein eigenes Ding?
Szabó: Wenn Kooperationen angefragt werden, würde ich nicht abgeneigt sein. Meine Meinung ist, dass es keine Konkurrenten, sondern eher Mitbewerber gibt und auch, dass das Angebot die Nachfrage schafft. Wir sitzen gerade hier auf unserer Kleinkunstbühne und gegenüber hat das Musikwohnzimmer eröffnet, ebenfalls mit Veranstaltungen. Es ist ein Mehrwert für diese Straße, die Gäste und am Ende für alle. Wir agieren schon zusammen, indem wir uns nicht gegenseitig abgrenzen, sondern miteinander arbeiten. Zum Beispiel sind wir gerade dabei eine gemeinschaftlich, organisierte Weihnachtsdekoration für den Barnstorferweg zu planen.
Warum sind Sie so engagiert?
Szabó: Gegenfrage: Warum sind es andere nicht? Ich empfinde es als normal. Ich habe mir kein Ziel gesteckt, wo ich sage: Ich muss in 15 Jahren das und das erreicht haben. Ich möchte Grundlagen schaffen und festigen, um das Leben in meinem Stadtteil zu verbessern. Wenn ich es nicht mache, macht es vielleicht keiner.
Gibt es Erfolge auf die Sie besonders stolz sind?
Szabó: Ich habe eine Bar („b sieben“ in der Rostocker Altstadt), die gerade 10-jähriges gefeiert hat. Das Käthe wird jetzt fünf. Der CSD war dieses Jahr so groß, wie nie zu vor. Mit dem KTV- Verein planen wir ebenfalls neue Veranstaltungen. Darauf bin ich schon sehr stolz.

die Kleinkunstbühne des Café Käthes
Sie planen neue Veranstaltungen?
Szabó: Wir planen gerade das erste KTV- Wichteln. Eine familienfreundliche, weihnachtliche Veranstaltung am 15. Dezember auf dem Margaretenplatz. Mit Tannenbaum schmücken und Baumschmuck basteln von den umliegenden Kindergärten und den Schulen. Auch kommt ein Weihnachtsmann und wenn jemand Wichtelgeschenke mitbringt, kann man sich gegenseitig austauschen. Wie ein kleiner Weihnachtsmarkt des Stadtteils.
Sie haben viele Aufgaben zu bewältigen, bleibt da Platz für Privatsphäre?
Szabó: Na klar! Ein Tag hat 24 Stunden und das sieben Tage die Woche.
Wie füllen Sie Ihre Freizeit?
Szabó: Ich koche gerne und auch von Netflix bin ich angetan. Solange die Zeit und die Gesundheit mitspielen, verreise ich sehr gern.
Nervt es manchmal so viel zu tun zu haben?
Szabó: Nee. Es gibt immer die Möglichkeit zu delegieren. Wenn ich eine Aufgabe nicht schaffe gebe ich sie ab. Das klappt immer, falls man sich mal übernommen hat.
Hatten Sie ursprünglich beruflich andere Pläne?
Szabó: Ich bin gelernter Einzelhandels-Kaufmann in der Klamotten-Branche. Wenn du mein elf-jähriges Ich fragst, wollte ich Gärtner werden. Mit 14 wollte ich immer eine Pension haben. Das fande ich ganz witzig. Mit ungefähr neun bis zwölf Zimmern. Der Gedanke Menschen zu beherbergen und zu empfangen, ihnen einen schönen Tag zu machen, dass hat mir immer gefallen. Und dann war ich 24 und bin mit einer eigenen Kneipe selbstständig geworden. Jetzt beherberge ich ja auch Leute. Verköstige sie, ab und an übernachtet auch mal jemand in der Bar (er lacht).
Die Wünsche und Ausrichtung auf die Zukunft ändern sich je nach Beziehung zum Leben/ Alltag.
Letzte Frage: Was wünschen Sie sich für die KTV?
Szabó: Tatsächlich weniger Verkehr und mehr Grün. Das wäre schön.
Interview und Bilder von Sophie Berganski