Die letzten Stunden der Vorbereitungen

Es ist 8:45 Uhr, das Büro des Festivalleiters und der Organisatoren ist noch zu. Vor der geschlossenen Tür steht ein Berg aus Kartons. Auf dem Flur ist es noch ruhig und friedlich. Die Ruhe vor dem Sturm? Hier toben in wenigen Minuten Leute mit gestresster Miene durch den Gang?

Vor dem FRIEDA 23 – Gebäude treffe steht Johanna Huber. Ihr Look ist punkig. Gekennzeichnet durch ihren Kurzhaarschnitt, ihrer, von Bandpins aufgepeppten, Jeansjacke und ihren schwarzen Dr. Martens. Ihr Zahnspangenlächeln steht dazu im Kontrast. Sie ist 18 Jahre alt, kommt aus Österreich und ist eher zufällig als FSJ’lerin im „Fishbüro“ gelandet. Ursprünglich wollte sie in ein fremdsprachiges Ausland, da dies nicht klappte bewarb sie sich bei LOHRO und beim Fantasia. Dort wurde sie zum Fishbüro weitergeleitet und nun sitzt sie hier. Johanna ist also ganz neu dabei.

Kurz nach 9 Uhr trudeln alle langsam ein. Noch immer ist die Stimmung sehr gelassen: es werden Witze gerissen, private Gespräche geführt und Kaffee geschlürft. Nebenbei laufen die Vorbereitungen. Im Büro herrscht Ordnung in der Unordnung. Es stapeln sich volle Kisten. Die Holzregale sind mit Kartons und Akten vollgepackt; auch die sechs Schreibtische sind zugestellt und bieten kaum noch Raum zum arbeiten. Plakate hängen, oft auch schief, an den Wänden. Auf einem Schrank steht ein kleiner, alter Röhrenfernseher.
Erstmals dabei und dennoch ist Johanna die Mutti des „jungen Films“. Welches das Herzstücks des Festivals bildet. Sie half, aus 525 Filmen die besten 33 auszusuchen. Danach hat sie Zu- und Absagen an die Filmemacher versendet und einen Programmplan erstellt. Manchmal braucht es ein wenig Überzeugungskraft, um die Macher zum Erscheinen zu bringen und einen dafür einen weiten Weg auf sich zunehmen. Der Besuch ist wichtig, da es sonst keine Filmgespräche gibt. Absagen in letzter Sekunde sind nicht ausgeschlossen, was dann Improvisationstalent von Johanna erfordert.
Als erstes beantwortet sie heute Mails und erwartet noch einen Übersetzungsdialog für einen Film, welcher am dritten Tag des Festivals laufen soll. Auch um letzte Unterkünfte muss sich noch gesorgt werden.

Der von Johanna erstellte Programmplan

Gegen 10 Uhr kommt der Festivalleiter, Arne Papenhagen, mit einem Pott Kaffee in der Hand und verzieht sich an seinen Schreibtisch. Er wirkt ruhig und ausgeglichen. Seine Stimme ist fest und bestimmt. Kann diesen Mann etwas aus der Fassung bringen?
Gelassen berichtet er von Pannen. In einem Jahr ist nicht genügend Bettwäsche in den Unterkünften vorhanden gewesen: „Dann mussten wir ganz viel rumtelefonieren und die Wäsche schnell abholen und hinbringen. Das war ziemlich nervenaufreibend“, lacht Arne. Auch dieses Jahr wird es jeden Tag neue Herausforderungen geben: „Gerade weil wir diesmal viel Neues im Programm haben, wie zum Beispiel den Stadtrundgang, bei dem Filme an Hauswänden gezeigt werden. Natürlich freue ich mich darauf, aber ich bin auch froh, wenn alles super geklappt hat und vorbei ist“.
Im Fishbüro ist die Atmosphäre nun anders. Wuseliger. Es ist voller geworden. Zwei Organisatoren beschäftigen sich mit den „Eintrittskarten“. Einer läuft raus, zwei laufen rein. Listen werden kontrolliert und abgehakt. Drei Mitarbeiter telefonieren, Tastaturen klappern, andere durchwühlen Kartons, Tüten knistern. Alle Geräusche vermengen sich mit dem Gerede der Leute.

Kurz nach 11 Uhr macht Johanna sich auf zum Blue Door Hostel, sowie zum Peter-Weiss-Haus um die Schlüssel für die Unterkünfte der Filmemacher abzuholen. Auf dem Weg berichtet sie über ihr Auslandsjahr in Texas und ihr Sprachkurs in London. Bis Juli ist sie noch hier und das Fishfestival ist das Highlight ihres Jahres: „Das ist jetzt das Event. Das ist mein Baby. Es soll einfach laufen“, so Johanna mit leuchten in den Augen und einem breiten Lächeln vor Anspannung und gleichzeitiger Vorfreude.

Zurück in der FRIEDA, spitzt sich die Hektik zu. Die ersten Gäste werden nämlich schon 13 Uhr erwartet. Das heißt es ist noch eine halbe Stunde Zeit!
Die jeweiligen Mappen, welche die Filmemacher bei Ankunft erhalten, müssen noch fertig gemacht werden. Dann müssen noch die Kartons mit Shirts, Eintrittskarten, Snacks, Broschüren und die Kasse herunter gebracht und aufgebaut werden.
Mitgründer und Namensgeber des Festivals, Matthias Spehr, erinnert sich in der Zwischenzeit: „Es sollte ein Festival aufgebaut werden, welches bundesweiten Charakter hat. Von Jahr zu Jahr wurde es dann immer größer“. Wichtig bei dem Festival ist: „dass keine Eitelkeiten ausgestellt werden sondern die Filme und die Macher im Mittelpunkt stehen“ so Matthias weiter. Ein Draht soll zu den Jugendlichen aufgebaut und bei ihren Themen abgeholt werden: „jeder kann einen Film mitgestalten“, erklärt Matthias Spehr. Auch er, als Filmemacher, schwärmt von Johanna Huber: „Sie spielte ganz spontan in einem kleinen Film von mir mit. Echt eine tolle junge Frau! Auch und gerade von solchen Leuten lebt so ein Festival“.
In diesem ganzen Vorbereitungstrubel Filmregisseur, Mark Sternkiker, zu finden ist ein schwieriges Unterfangen. Früher war er als Macher bei diesem Festival dabei, später saß er in der Organisationsgruppe, mal ist er auch nur als Besucher gekommen. Heute ist er Moderator: „Interesse ist bei einer guten Moderation ganz wichtig. Deshalb soll das nicht irgendwer machen. Die Filme sollten wenigstens einmal vorher angeguckt werden.“ sagt Mark. Er saß ebenfalls im Auswahlgremium. Zufrieden blickt er zurück und betont: „Rostock hat sich das verdient und es macht die Stadt bunter“.

Um 15:15 Uhr ist das FRIEDA – Foyer voller Menschen, deren Stimmen durch den Flur hallen. Aufgeregtes Kinderlachen übertönt die Gespräche des wartenden Publikums. Alle warten, dass der Kinosaal endlich aufgeschlossen wird. Als dies geschieht, schnappe die Kinder rasch ihre Rucksäcke, um hinein zu stürzen. Es ist schlagartig ruhig. Die Erwachsenen folgen. Gleich geht es los.
Johanna, die mit ihren Kollegen an der Rezeption Gäste und Filmemacher empfängt, ist nun auch wieder zu sehen. Morgen geht es für sie erst richtig los. Ab dann werden die ersten Filme des „jungen Films“ gezeigt.
Punkt 15:30 Uhr ist das Foyer menschenleer und ich höre, wie Musik ertönt. Das Festival beginnt.

Johanna Huber hinter der Rezeption

Text und Bilder von Sophie Berganski

Beitragsbild: Website: fish-festival.de