Seit September gibt es die „Bierbühne“ im Barnstorfer Weg. Auf halbem Weg zwischen Brautmoden-Schneiderei und Messerladen, gleich gegenüber vom Café Käthe hat sie ihren Platz. Warum gerade dort? Was für Menschen sind es, die die Bühne bespielen? Benedikt Rütering im Gespräch mit Storemanager Yannick Politowski.

Du führst einen Bierladen, den ganzen Tag bist du davon umgeben. Ist das nicht gefährlich für die Gesundheit? Kommst du in Versuchung, dir Abends mal ein, zwei Flaschen mitzunehmen?

Ja, das mache ich, das muss ich ja auch, damit ich alle Biere kennenlernen kann. Den Großteil kenne ich schon, aber wenn wir neue Ware haben, muss ich die probieren, damit ich dem Kunden das Bier auch vernünftig präsentieren kann. Aber bei Craftbeer ist das Schöne, dass das so ein Genussding ist, das ist so ähnlich wie bei gutem Wein, bei gutem Whisky, bei nem guten Steak. Davon trinkst du ja auch nicht einen ganzen Kasten am Wochenende weg, sondern da trinkst du am Abend mal eins oder zwei oder teilst dir das auch. Ich wohne in einer WG, und mein Mitbewohner ist immer ganz froh, wenn ich Bier mitbringe und sage „Hier komm, wir müssen mal wieder testen.

Was hast du beruflich gemacht, bevor du Bierenthusiast wurdest?

Ich habe erst Abitur gemacht, dann war ich ein Jahr im Kindergarten, habe da ein Freiwiliges Soziales Jahr gemacht, dann habe ich ein Jahr in Stralsund baltisches Tourismusmanagement studiert, das war mir aber zu trocken. Ich habe dann gesagt, ich möchte die andere Seite von diesem Tourismusding kennenlernen und bin in die Praxis gegangen, habe zweieinhalb Jahre lang eine Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht. Dabei bin ich in die Barszene reingerutscht, mit diesen Genussmitteln überhaupt in Kontakt gekommen, guter Wein, guter Whisky, gutes Essen. Das war dann auch so mein Ding während der Ausbildung. Ich habe neben dem alten Bierladen neben Micha, unserem Chef, gewohnt und ihn später gefragt, ob er einen Job für mich hat.

Micha, also Michael Reese, ist als Geschäftsführer meist in Lübeck?

Genau, er hat die Firma „Craftbeer Rockstars“ gegründet und kümmert sich um alles, was so bürokratisch anfällt. Wir haben ja noch einen zweiten Storemanager, den John, der hat quasi meinen Job in Lübeck. John und ich, wir kümmern uns um alles was so im Laden anfällt, um die Tastings, um Veranstaltungen, die gemacht werden. Wenn wir zum Beispiel Open-Bottle-Veranstaltungen haben, wo mal ein bisschen Bier probiert werden kann, wir kümmern uns um die Kontakte mit den Gastronomen. Alles, was so drumrum ist, was im Stillen passiert, das macht Micha.

Wie eignest du dir das Wissen über das Bier an, dass du hier verkaufst?

Erstmal ist es viel Selbststudium. Es gibt natürlich Grundwissen, das ich mir aneignen musste, bevor ich hier angefangen habe, das man mit der Zeit einfach mitbekommt. Und wenn du weißt, das ist ein Stout, das unterscheidet ein Stout von einem India Pale Ale, dann weißt du schonmal wenn du neues Bier probierst, aha, so müsste es jetzt schmecken. Ein IPA zum Beispiel ist immer sehr herb und hopfenbetont. Wenn ich also ein neues IPA probiere und das empfehlen will kann ich schonmal sagen: das ist hopfenbetont, das ist herb. Nachher geht’s dann darum, irgendwelche Feinheiten rauszuschmecken, das kommt dann alles mit der Sensorik irgendwann, mit der Zeit wird man da geschulter. Man liest natürlich auch sehr viel, es gibt da sehr viele Webseiten, auf denen man auch vergleichen kann, auf denen Biere bewertet werden. „Untappd“ z.B. ist ein soziales Netzwerk für Bier. Aber natürlich bekomme ich auch Infos von den Brauereien selbst. Die schreiben „das ist jetzt unser neues Bier, so und so sollte es schmecken, das macht es aus.“

Und das muss man sich dann einfach mal „reinprügeln“, probieren, ob’s auch wirklich so schmeckt. Dann erst kann du sagen: „jetzt kann ich’s empfehlen.“

Das ist ja immer so ein bisschen schwierig mit der Beschreibung „holzig“, „rauchig“ …

Für den Laien ist das vielleicht schwierig, für mich war’s am Anfang auch nicht so einfach, da dachte ich auch: „jedes IPA schmeckt irgendwie gleich nach Grapefruit, aber das stimmt gar nicht. Das kommt dann alles mit der Zeit, mit der Sensorik, je mehr du probierst, desto geschulter wirst du. Ähnlich war’s bei mir ja auch an der Bar, mit verschiedenen Whisky’s, mit Rum-, Vodka- und Ginsorten. Irgendwann hast du einfach so eine geschulte Zunge, dass du sagen kannst: „aha, das ist jetzt wahrscheinlich ein Bier, was nicht ganz so teuer ist, das hier ist ein bisschen teurer, das ist obergärig, das ist untergärig. Irgendwann kann man dann einfach unterscheiden.

Wo informierst du dich über neue Entwicklungen in der Craftbeerszene, über neue Trends?

Es gibt zum Beispiel eine Facebook-Gruppe, die in Deutschland relativ groß ist. Dann hat man auch immer wieder Messen. Wir haben zum Beispiel vor zwei Wochen ein Craftbeerfest in Lübeck veranstaltet, wo man mit vielen Brauern zusammenkommt und über den neusten „heißen Scheiß“ labert, wo man sich austauscht. Wie in jedem andern Business eigentlich auch ist man in ständigem Austausch mit den anderen. Craftbeer ist eine relativ junge und auch eine relativ offene Szene, dass macht das ziemlich einfach.

Die Auswahl ist riesig

Warum habt ihr euch entschieden, den Laden genau hier in der KTV aufzumachen?

Weil es ein Szeneviertel ist, wie definieren und ja als „Craftbeerrockstars“, alles so ein bisschen alternativ, gegen den Strom, konzernfrei und das ist halt die KTV auch. Wir wollten nit in die Innenstadt, wo ein H&M, neben nem McDonald’s, neben Burger Kind, neben Zara ist, wo eine Kette neben der anderen steht. Wir sind eben auch keine Kette sondern ein inhabergeführtes Unternehmen wie die anderen hier auch.

Kanntet ihr die KTV vorher schon?

Nein, wir kannten die KTV vorher nicht, wir kannten nur ihren Ruf, gerade weil ich in Stralsund studiert habe und jedes zweite Wochenende hier war. In Stralsund geht ja nichts. Deswegen wusste ich so ein bisschen, was hier in der KTV abgeht und da haben wir gesagt, das passt einfach.

Wurdet ihr denn gut aufgenommen im Viertel?

Ja super gut. Als wir hier am ersten Tag angefangen haben aufzubauen, kam gleich der Andy rüber vom Café Käthe und sagte „Moin, schön dass ihr da seid, ich bin Andy, wenn ihr irgendwas braucht, sagt Bescheid“. Das war so herzlich und super cool, da haben wir gesagt: „Eigentlich müssten wir alle nach Rostock ziehen.“.

Habt ihr ein bestimmtes Zielpublikum?

Das ist „von bis“. Das ist die 40-Jährige, die für ihren Mann ein Geschenk kauft, das sind die 20-jährigen, die sagen: „Hey, habt ihr mal geiles Bier für mich?“, das sind die 60-Jährigen, die sagen: „Ich war oft in Belgien früher, habt ihr auch belgisches Bier?“. Das ist also breit gefächert. Die meisten, die hier reinkommen sind so zwischen 30 und 50, Genussmenschen, die sagen „Ich lebe bewusst, ich kauf mir lieber ein Bier, anstatt nen ganzen Kasten.

Kannst Du den Kunden schon beim Betreten des Ladens ansehen, was für ein Bier sie wohl trinken?

Also bei Leuten, die so 65-70 sind, wenn die was für sich kaufen, dann experimentieren die nicht groß. Die kennen ihr Bier, das trinken die immer und die werden jetzt nicht anfangen, neuen Kram auszuprobieren. Da weiß ich dann schon:“die trinken was Belgisches, oder Pils. Wenn Frauen reinkommen sagen die meistens: „Ich brauche ein Geschenk“. Dann nehm ich den Sechserträger in die Hand, den Zwölferkarton untern’n Arm, weiß: jetzt geht’s los. Ähnlich wie beim Verkosten kommt das mit diesen Sensoriken mit der Zeit. Mir fällt das ein bisschen leichter, weil ich ja wie gesagt davor auch schon an der Bar, im Restaurant und im Hotel gearbeitet hab‘.

Warum der Name „Bierbühne“?

Auf der Bühne präsentierst du dich, deswegen auch die Traversen und die Scheinwerfer hier im Schaufenster und da oben die Kollagen, die auch musikalisch angehaucht sind, zum Beispiel mit Iron Maiden-Stickern. Bierbühne heißt, das Bier bekommt einen Ort, wo es sich präsentieren kann, so wie Musiker auf Bühnen eben.

Das Thema „Bühne“ findet sich auch in der Einrichtung wieder

Trinkst du auch mal ein gutes Glas Wein?

Ja, ich bin da relativ offen. Dadurch, dass ich aus der Gastronomieszene komme, bin ich relativ früh mit Wein in Berührung gekommen, ich hab glaub‘ ich schon so 400 verschiedene Weine getrunken, also mehr Wein als Bier eigentlich. Das ändert sich jetzt im Laufe der Zeit wahrscheinlich, das ich irgendwann mehr Bier getrunken haben werde, aber ich trinke gerne auch mal ’nen guten Wein. Ich geh jetzt nicht zu Penny und kaufe den für 1,99, ich möchte mich nicht besaufen, sondern ich möchte das genießen, auch mit Freunden. Ich würde nicht sagen, dass ich für ne Flasche 30 Euro ausgebe, aber n bisschen mehr als „unterer Durchschnitt“ gebe ich schon aus.

Ihr habt ja hier eine große Auswahl regionaler und auch internationaler Biere. Gibt es noch eine Sorte oder eine bestimmte Brauerei, die du gerne im Sortiment hättest?

Nö. Es gibt immer was, was man im Sortiment haben möchte. Aber unser Sortiment wächst auch ständig. Wenn ich das bekomme, was ich möchte, dann bin ich glücklich und wenn nicht, dann bekomm‘ ich eben was anderes. Es gibt immer irgendwas, wo man sagt „das ist der geile heiße Scheiß“, aber manchmal lohnt es sich auch nicht, das einzukaufen. Weil das zu umständlich wäre, weil das zu teuer ist und ich es hier zu teuer wieder verkaufen müsste. Klar, man möchte immer alles haben, das geht aber gar nicht.

Meinst du, die Craftbeerszene entwickelt sich langsam hin in Richtung Massenmarkt?

98% der Menschen trinken die Standardbiere. Jever, Warsteiner, Becks, das „Fernsehbier“. 1-2% am Markt sind Craftbier. Das ist also hier immer noch bei weitem ne andere Geschichte als in Skandinavien, in England, in Amerika. Da sind die deutlich weiter. Es wird immer besser, bekommt immer mehr Akzeptanz – das sieht man auch daran, dass Beck’s oder Köstritzer jetzt anfangen, Craftbeer zu machen. Aber es ist immer noch in den Kinderschuhen eigentlich, was ja auch gar nicht schlecht ist.

Siehst du da Potenzial, dass das Craftbier vielleicht irgendwann gleichbedeutend mit dem „Fernsehbier“ ist?

Gleichbedeutend wird schwierig wahrscheinlich, weil die Industrielobby relativ groß ist. Aber es gibt bestimmt die Möglichkeit zu sagen, in 10, 15 Jahren ist das Bewusstsein ein anderes und dann ist der Markt auch nochmal größer.

Wollt ihr noch weiter expandieren?

Wir sind erstmal froh, dass wir diesen Laden jetzt hier haben. Wir wollen den Onlineshop noch weiter ausbauen, wir haben auch schon ne Konzession beantragt, damit wir hier auch Ausschank machen können, vom Fass. Die Tische da hinten sind schon seit drei-vier Wochen aufgebaut sind, ich warte nur noch auf den Anruf vom Bauamt. Noch einen Laden aufzumachen, ist erstmal nicht geplant.