Mitten im Bahnhofsviertel in unmittelbarer Nähe des Wasserturmes umgeben von Kopfsteinpflaster liegt es. Das Heilkundezentrum Rostock. Die alte, weiße Stadtvilla mit der Nummer 23 ist ein Haus voller Geschichte. Der Philosoph Moritz Schlick wohnte einst in diesem Gebäude und sein guter Freund Albert Einstein war regelmäßig zu Besuch. Daran erinnern bronzene Gedenktafeln an der Fassade. Heute ist es ein Ort der Heilung.
In der ersten Etage hat Hugo Hasse, selbsternannter Heiler, seine Praxis. Der Behandlungsraum wird von den Tönen der angeschlagenen Klangschalen erfüllt. Unter einer weißen Fleecedecke, mit geschlossenen Augen und einem zufriedenen Gesichtsausdruck liegt eine junge Patientin auf der Behandlungsliege mitten im Raum. Hugo Hasse steht zu ihrer Linken und lässt in regelmäßigen Abständen das Metall erklingen.
Rückblickend auf seine Kindheit denkt er an seinen Wunsch Zauberer zu werden. Daraufhin bekam er zu Weihnachten einen Zauberkasten. Enttäuscht musste Hugo feststellen, dass es sich einzig und allein um Tricks handelt. „Ich war aber auf der Suche nach richtiger Magie“ erinnert er sich. Als er dann mal gefragt wurde, was er denn mal später werden möchte, antwortete er Künstler. Die Einsicht, dass er als Künstler nicht viel verdienen würde, entschied er sich erst mal ein Handwerk zu erlernen. „Ich schaute mir viele Handwerke an. Da ist der Automechaniker, der immer ölige Klamotten hat – das war nichts für mich. Die Elektriker kleideten sich weiß und das gefiel mir besser.“ So kam es, dass Hugo eine Ausbildung als Elektriker begann.
Hugo Hasse, gelernter Elektriker, weiß schon mit 18 Jahren, dass er den Beruf nicht sein Leben lang ausführen wird. „Elektriker war nie mein Berufswunsch“ erinnert sich Hugo. Seine Entscheidung ist somit gefallen. Für Hugo ist klar: „arbeiten nur für Geld ist nicht so meins.“ So entschied er sich, in seinen jungen Jahren, aus Wuppertal zu gehen. „Es war irgendwie alles fertig. Ich konnte mich da nicht so richtig finden.“ erinnert sich Hugo an diese Zeit. Schon mit Anfang 20 wusste er, dass er viel lieber mit Menschen arbeiten möchte. Der Berufswechsel war für Hugo nicht schwierig. „Heiler sein kann jeder. Also jede Mutter, die ihr Kind in den Arm nimmt ist ein Heiler für das Kind. Sei es eine Angst zu heilen oder zu beruhigen.“ In den 80ern gab es keine Ausbildung für das Berufsbild des Heilers. Deshalb besucht er viele Meditationskurse, Seminare und Therapien dabei eignete er sich viel Wissen über die ganzheitliche Heilkunde an. Aus diesem Wissen und den erlernten Techniken und Therapien profitiert der Heiler noch heute. Daraus entstand das vielfältige Angebot von Seminaren und Behandlungen, welches der Heiler seinen Patienten anbietet. Bereits in Wuppertal bietet Hugo mit Mitte 20 die ersten Meditationsabende an. Hugo merkt, dass seine Zeit in der einstigen Heimat Wuppertal vorbei ist.
„Ich fand es eine gute Idee durch Europa und dann von ganz im Norden bis Südafrika zu trampen, mich so fortzubewegen, wie die Einheimischen das auch tun und den Kontinent ein wenig kennenlernen.“ So entschloss sich Hugo um 1984 sein gewohntes Umfeld zurück zu lassen und sich auf Reisen zu machen. Mit dem Gedanken „loszulassen von Lebensumständen war für mich schon immer leicht.“ macht er sich auf den Weg.
Er reist für ein halbes Jahr durch Afrika. Er hat kein genaues Ziel vor Augen und fährt durch die Weiten des Landes. Im Sudan lernt er seinen Freund Mohammed kennen. Beide stehen bis heute noch in Kontakt. Hugo lebt in den nächsten Monaten mit Einheimischen zusammen, lernt heimische Mediziner kennen. „Afrika hat interessante Heiler. Viele Mittel und Therapien, die dort seit vielen Jahrhunderten genutzt werden, sind dem Umstand geschuldet, dass man keine moderne Medizin hat. Jeder gibt unter diesen Umständen sein Bestes.“ erinnert sich Hugo. Auf seiner Reise auf dem fremden Kontinent ist ihm eines klar geworden: „..dass alle Menschen im Grunde dasselbe wollen und wünschen. Wir wollen einen Zustand von Frieden in uns erreichen. Wir wollen, dass unsere Kinder gut aufwachsen und Leben können.“ Er schafft es allerdings nicht bis Südafrika. „Ich musste mich dann recht gründlich erkrankt nach Kenia durchschlagen um von dort zur Behandlung nach Hause zu fliegen.“
Schlussendlich entscheidet er, nur noch dem Heiler-Beruf nachzugehen. Hugo ist sich sicher, dass das was er macht das Richtige für ihn selbst ist. „Man sollte lehren, was man selbst lernen möchte.“
Zurück in Deutschland bekommt Hugo einen Anruf, von einem Bekannten. Die Frau von ihm berichtete über die Arbeit von Hugo. Der Mann schlug Hugo vor, dass er nach Sachsen kommen könne, um dort seine Arbeit fortzuführen. „Also entschied ich nach der Wende in den Osten zu gehen. Ich guckte mir dort alles an und dann war klar, das sind die Menschen, die ich will. Noch nicht so fertig, im Umbruch, in einer Orientierungsphase – ich helfe gern bei einer Orientierung, die ich selber für sinnvoll halte.“
So zieht es Hugo nach Meerane in Sachsen. Dort lernt Hugo seine spätere Frau kennen und es folgen drei gemeinsame Kinder. Mit seiner Frau leitet er dort ein Seminarhaus und verfasst auch eigene Zeitschriften zum Thema Heilkunde und Meditation. „Nach ca. 7 Jahren gingen wir nach Bautzen in ein sozial-ökologisches Gemeinschaftsprojekt, das sich zur Aufgabe gemacht hatte neue Gesellschaftsformen zu erforschen. Diese Zeit in Gemeinschaft schien uns besonders für die Kinder genau richtig zu sein, die dort mit anderen Kindern recht frei aufwachsen konnten.“ erinnert sich Hugo. Nach dieser Zeit zog es Hugo nach Brandenburg für ca. 2 Jahre in eine spirituelle Gemeinschaft. „Dann habe ich ein paar Jahre in Berlin gelebt und gearbeitet. Ich war dort unter anderem ein Ansprechpartner für den „Kurs in Wundern“, Satsang und Einzelberatungen. Von dort bin ich vor 6 oder 7 Jahren nach Rostock gezogen, wo auch ein Teil meiner Familie wohnt.
„Ich lasse gern die Dinge so passieren, wie sie kommen. Meine Situation in Sachsen zu der Zeit war zu Ende. Ich habe damals dort in einer Gemeinschaft gelebt. Dann hab ich Kontakt aufgenommen mit Rostock mit Susanne. So ist praktisch meine Standortverlagerung zu erklären.“ Vor etwa 12 Jahren lernten sie sich kennen.
Sowohl beruflich, als auch privat sind Hugo Hasse und Dr. Susanne Kreft ein Team.
Zusammen haben sie das Heilkundezentrum in Rostock etabliert. Während Susanne den medizinischen Teil absteckt, kümmert sich Hugo nach alter schamanischer Sitte um seine Patienten. “Wir machen allerhand Sachen. Wir machen Meditationsabende, Satsang, Weiterbildungen usw. die den Menschen daran erinnern, was wichtig ist. Nämlich sie selbst. Das gab´s in allen Zeiten schon, diese Menschen, die diese Aufgabe hatten. Ich versuche nun das alte Verständnis von Medizin in die neue mit einzubinden. Meine Tätigkeit in zusammenarbeit mit der Schulmedizin bezieht sich eher darauf, dass ich die alten Werte der Medizin vertrete d.h. Da wo die Medizin entstanden ist, wo sie herkommt. Aus dem alten Wissen raus, aus dem Schamanismus, aus Kräuterkunde – so die alten Traditionen verkörper ich. “
Nach der Klangschalentherapie bleibt die junge Frau noch einige Augenblicke regungslos liegen, bevor sie ihre Auge öffnet. Zufrieden steht sie von der Liege auf und bedankt sich bei Hugo. In einem kurzen Gespräch zwischen den Beiden erzählt sie, dass es ihr in den vergangen Minuten gut ergangen sei. Hugo erklärt „bei einer Klangschalentherapie geht es darum den Körper zu bewegen und zu erreichen, an Stellen, wo wir mit Medikamenten nur ganz schwer ran kommen.“
Nach der Verabschiedung richtet Hugo den Seminarraum nebenan für die Meditation her.„Es sieht ein bisschen faul aus. Man sitzt da nur rum. Da es doch so einfach nicht ist, einfach nur da zu sitzen, nichts zu denken, nichts zu machen – helfe ich so ein bisschen mit, indem ich ein sprachliches Geländer anbiete.“ sagt Hugo schmunzelt, mit Hinblick auf den Abend. Als erstes dreht Hugo die Heizung auf, verteilt acht Yogamatten , Decken und Kissen im Raum. Gegen 19 Uhr kommen die Teilnehmer zur Tür rein. Hugo begrüßt seine Mitglieder des Kurses. In den nachfolgenden eineinhalb Stunden führt Hugo die Teilnehmer durch die Meditation.
Seit nun mehr als 25 Jahren arbeitet Hugo als Heiler. Er kann sich auch vorstellen, dass er sein jetzigen Alltag aufgibt und wieder anfängt zu reisen. Vor einigen Tagen fragte ein Bekannter, ob Hugo ihm ein Schiff abkaufen möchte. Noch wägt er die Vor- und Nachteile ab. Hugo kann sich vorstellen, wenn er das Schiff kauft auf See seine Seminare anzubieten. „Von Außen kann sich im Leben alles ändern, aber von Innen nicht. Und das Innen ist das, was zählt.“
Nachdem alle Teilnehmer den Raum verlassen haben, schließt Hugo das Heilkundezentrum ab und geht zufrieden nachhause.
Text, Foto und Video von Lara Senger
Ausbildungsgang Cross Media Redaktion 2015-16
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