Eine Tätigkeit so langweilig wie diese Headline?

Eine Woche noch bis zu den Wahlen. Europa-, Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl. Für die Parteien steht viel auf dem Spiel. So auch für die Grünen. Es ist Dienstag der 21.05. und das Wetter ist heute gnädig, trotz Wolken kein Regen und nahezu windstill. Perfekte Voraussetzung, um Wahlkampf zu betreiben. Der Schauplatz ein Ort, der vielleicht nicht direkt mit den Grünen in Verbindung steht. Umgeben von Häusern und gepflasterten Wegen, mitten in der Stadt.

Grün ist etwas anderes. Im Hintergrund thront das Rathaus, welches das Ziel der Parteien darstellt. Hier sitzen die Bürgerschaft und der Oberbürgermeister. Die Grünen haben zwar schon Plätze in der Bürgerschaft, aber diese reichen ihnen noch nicht: „Wir haben momentan sechs Plätze in der Bürgerschaft. Aber wir würden gerne verdoppeln auf 12,“ so Sabine Krüger, Spitzenkandidatin von den Grünen für die Rostocker Bürgerschaft.

Im Hintergrund ist das Rostocker Rathaus zu sehen: der Sitz der Bürgerschaft und des Oberbürgermeisters.

Passend zum Wahlprogramm werden die Sachen für den Wahlkampf per Fahrrad transportiert. Der Stand ist im Vergleich zu anderen Parteien sehr überschaubar. Ein Schild mit Plakaten, drei Aufsteller mit dem Logo der Grünen und ein Tisch, auf dem unter anderem Flyer, die Wahlprogramme und einige Extras wie Flaschenöffner oder Blumensamen verteilt werden.

Der Tisch wird immer per Fahrrad an die Orte gebracht, an denen der Wahlkampf stattfindet.

Heute befinden sich fünf Mitglieder am Stand. Ihre Aufgabe: In zwei Stunden so viele Passanten wie möglich von ihrer Partei überzeugen. Dieses Vorhaben kostet für manche einiges an Überwindung. So auch für Luke Seemann. Der 19 Jährige ist das jüngste Parteimitglied der Grünen und der jüngste Kandidat für die Wahl zur Bürgerschaft. Doch warum ausgerechnet die Grünen? „Weil die Grünen für mich eine Partei ist, die für Vielfalt steht. Für ein starkes Europa, was mir ganz wichtig ist, weil ich der Meinung bin, dass wir ein starkes Europa brauchen“, erzählt Luke Seemann. Luke ist erst seit 1,5 Jahren Mitglied der Partei, somit ist dies sein erster Wahlkampf: „Es macht mir sehr viel Spaß, man lernt total viele unterschiedliche Menschen kennen, baut sich so ein bisschen ein Netzwerk auf

und es kommt immer irgendwie etwas Neues und Unvorhergesehenes. Und man gewinnt viel Erfahrung für’s Leben.“ – So Luke. Aber hatte auch er am Anfang Probleme auf Leute zuzugehen? „Ja. Da gewöhnt man sich so ein bisschen dran. Also mit jedem Stand den man macht wird man eigentlich besser darin. Das übt quasi.“

Luke meint der Wahlkampf ist nötig um Menschen für den Gang zur Wahlurne zu bewegen: „Gerade hier die ganze Jugend, die ja schon Grünen-nahe ist, was ja diese Jugendwahl gezeigt hat, da haben ja 39 % oder so für die Grünen gestimmt. Aber viele junge Leute gehen halt trotzdem irgendwie nicht wählen, auch wenn sie die Grünen gut finden und die müssen wir mobilisieren.“

Luke Seemann ist der jüngste zur wahlstehende Kandidat für die Bürgerschaft.

Trotz des trockenen Wetters halten nur wenige Leute an, um sich den Stand anzuschauen. Da hilft nur: Menschen direkt ansprechen. Bewaffnet mit einer Ladung Flyer begibt Luke sich zu den vorbeiziehenden Menschen. „Gehen sie am Sonntag wählen?“ ist die Eingangsphrase von ihm. Und tatsächlich bleiben viele Leute stehen und hören sich an, was er zu sagen hat oder nehmen einen Flyer mit. Aber nicht alle Menschen sind so aufgeschlossen. Viele ignorieren die Parteimitglieder auch einfach und gehen ihren Weg. Am Stand steht ein Mann mit Fahrrad, Rolf*. Er unterhält sich einige Zeit mit Claudia Schulz, ebenfalls Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl. Laut ihm ist die Politik der Grünen vor allem eines: „Wirklichkeitsfern“.

Seiner Meinung nach ist ein Straßenwahlkampf auch nicht sehr nützlich, zumindest nicht für ihn: „Also ich gehe mit ’ner klaren Vorstellung rein. Ich weiß was ich wähle und ganz bestimmt nicht die Grünen.“ Doch nicht jeder denkt so, Günther*, der gerade einen Flyer bekommen hat, sagt zum Wahlkampf: „Naja, ich meine so eine Unterhaltung zwischen uns, das hilft mir dann schon doch weiter, wenn ich höre, was jetzt gemacht wird. Zum Beispiel, wenn ich so ein Plakat da sehe. Das sacht mir dann schon viel aus.“

Die zwei Stunden Wahlkampf am Neuen Markt sind fast vorbei. Alles wird wieder in der Kiste verstaut, welche am vorderen Teil des Fahrrads verbaut ist. Für heute war’s das. Aber die Wahl ist noch nicht vorüber, also muss auch weiterhin um Stimmen gekämpft werden.

Mittwoch, der 22.05. – noch fünf Tage bis zu den Wahlen. Das Wetter hat sich nicht an dem vorherigen Tag orientiert. Niesel und Wind versuchen die Stimmung zu trüben. Noch lange kein Grund den Wahlkampf in’s Wasser fallen zu lassen. Heute sind vor allem Studenten das Ziel, die Location ist die Mensa in der Südstadt. Die Grünen sind dieses mal nicht die einzigen. Ein paar Meter weiter: die FPD. Ihr Stand: mehr als doppelt so groß. Vorteil der Grünen: Kaffee.

Das Coffee-Bike von Daniel Vanheiden schenkt für die Grünen kostenlosen Kaffee aus. Fällig wird lediglich ein Euro Pfand für die ReCup Becher. Somit dauert es auch nicht lange, bis die Schlange vor dem Bike sich füllt. Denn wenn ein Klischee der Wahrheit entspricht, dann ist es: Studenten lieben Kaffee. „Wer bleibt bei kostenlosen Kaffee nicht stehen?“ fragt einer der Schlangestehenden.

Der Aufbau des Standes dauert nicht lange und schon bald kann es losgehen.

Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt um sich mit den Kaffeeliebhabern zu unterhalten und Unterschriften zu sammeln. Denn auch die Grünen setzen sich für den Radentscheid in Rostock ein. Dies ist ein Bürgerentscheid, initiiert von mehreren Parteien und Organisationen, um den Radverkehr in Rostock zu fördern. Dazu benötigen sie 4000 Stimmen. An diesem Tag werden einige Unterschriften gesammelt. Es ist offensichtlich, dass heute sehr viel mehr los ist, als gestern. Somit hat das Wetter es nicht geschafft, die Stimmung zu trüben. Und auch Luke lässt sich nicht unterkriegen, er spricht so viele Leute wie möglich an und versucht so viele Flyer zu verteilen, wie er kann.

Auch Andrea Krönert, Fraktionsmitglied der Grünen in Rostock, ist von Luke begeistert: „Er gehört zu dieser Generation Zukunft, die noch aus einer ganz anderen Motivation heraus was machen will, insofern absolut klasse. Luke hat für seine Bewerbungsrede bei unserer Kandidatenaufstellung viel Applaus und Stimmen bekommen. Er macht das sehr, sehr gut. Und ich würde mich freuen, wenn er es auch schafft uns als Fraktion mit zu stärken.“

Andrea Krönert ist ebenfalls bei vielen Wahlkampfterminen dabei, aber für wie wichtig hält sie diese? Sie erzählt: „Also es ist der direkte Kontakt mit Menschen und es hat einerseits damit zu tun, dass die Leute, die vielleicht ohnehin schon Grün wählen oder auch Grünen-nahe sind noch mal merken:

wir sind präsent, wir sind da, wir sind aufgeschlossen. Auch Menschen, die einfach kommen und uns nochmal fragen, auch Menschen mit skeptischen Fragen. Das ist ja wichtig. Also es ist eine direkte Konfrontation mit den Menschen auf der Straße und das ist ein Teil vom Wahlkampf.“

Der Andrang beim Coffee-Bike ist groß.

Die Schlange wird nun kleiner, ab 14 Uhr soll Schluss sein. Zwei bis drei Studenten mussten noch abgewimmelt werden, damit sie sich nicht mehr anstellen können. Das zusammenpacken geht schnell, nicht länger als zehn Minuten und alles ist im Fahrrad verstaut.

Doch wie lief der heutige Tag? War es erfolgreicher als gestern? „Ja, weil dieses coole Coffee-Bike daneben stand und das schon irgendwie Leute angelockt hat. Und allein weil der Weg dadurch versperrt war und die Leute irgendwie gezwungen waren anzuhalten. So konnte man ein bisschen mehr mit denen ins Gespräch kommen.“ erzählt Luke Seemann.

Von den Wahlen hat er klare Erwartungen: „Ich erwarte, dass wir auch wieder so eine Gegenbewegung zur AfD kriegen. Dass die Leute halt ein bisschen Vernunft zeigen. Vernunft wählen.“

Luke ist mit seinen 19 Jahren noch ziemlich jung, vor allem für den politischen Bereich. Seiner Meinung nach sollten sich vor allem jüngere Menschen politisch engagieren: „Jüngere Menschen sind unterrepräsentiert, weil häufig gegen junge Menschen Politik gemacht wird. Gerade Fridays for Future ist ’ne tolle Sache, weil da halt Leute aufstehen, deren Zukunft gefährdet ist, dadurch, dass die alten Leute im Parlament die Politik verkacken und es nicht hinkriegen, dass man mal CO2-Emissionen tatsächlich reduziert.“

Der Wahlkampf trifft auf unterschiedliche Meinungen. Manche sagen, dass er nicht nötig ist, da sie sowieso eine Meinung haben. Andere wiederrum sind sich sicher, dass er wichtig ist um Wähler zu informieren und zu gewinnen. Auch Luke Seemann denkt, dass Wahlkampf eine gute Möglichkeit ist um vor allem junge Wähler zu mobilisieren.

Im Endeffekt ist diese Tätigkeit sicher nichts für jedermann. Es wird eine gute Portion Selbstbewusstsein und Geduld benötigt. Luke Seemann hat beides, was er während dieses Wahlkampfes beweisen konnte.

Impressionen von den Infoständen Neuer Markt am 21.05. und der Mensa Süd am 22.05.

Am 26.05. wird in Rostock gewählt. Ganze drei Wahlen werden fällig: Europa-, Kommunal-, und Oberbürgermeisterwahl. Um die Wähler zu überzeugen Grün zu wählen besuchte Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, am Montag, den 20.05., den Klostergarten in Rostock. Dort wurde extra für den Anlass eine Bühne aufgestellt. Im gesamten Klostergarten befanden sich Interessierte. Andrea Krönert und Uwe Flachsmeyer erzählen, warum diese Veranstaltung wichtig für die Partei ist.

Der Radiobeitrag befasst sich mit dieser Veranstaltung und zeigt, was die Themen waren.

Text, Audio und Bilder: Kevin Sauer