Eine Stadtführung der anderen Art – Kajak fahren auf der Warnow

Meine Hand umschließt den Griff des Kajaks. Langsam rutscht das Boot vom Hänger in Richtung Boden. Anheben, drehen, ein paar Meter bis zum Ufer und ablegen. Etwas unhandlich ist Rosa schon und mit 40 Kilo gar nicht mal so leicht, wie sie aussieht.
Neben Shirin und Vandana liegen noch knapp 13 andere Kajaks auf dem Hänger. Das Abladen sieht bei den Profis so leicht aus, doch bereits nach dem zweiten Boot fangen meine Hände an weh zu tun. Und der Rücken auch. Dabei war doch nur eine Stadtführung geplant – in Rostock, vom Wasser aus.

 

Langsam füllt sich die kleine Rasenfläche am Ufer der Warnow. Ronald Kley, der Geschäftsführer, und sein Mitarbeiter Micha Schmidt, bringen die restlichen Boote, Schwimmwesten und Paddelan Ort und Stelle.
Jetzt sind alle Gäste da. Jeder steht in seiner kleinen Gruppe, mit der er angereist ist. Von jung bis alt.
Eine Leichtathletikgruppe aus Hessen, ein Ehepaar und Vater und Sohn. Einige sind schon öfter gefahren, andere steigen zum ersten mal in ein Kajak. Die knapp 30 Teilnehmer werden in zwei gleichgroße Gruppen aufgeteilt und begrüßt. Jeder schnappt sich Schwimmweste und Paddel und stellt sich zu seiner Gruppe in einen Kreis. Eine kurze Sicherheitseinweisung. Micha erklärt, Wertgegenstände können im Auto gelassen werden. Nicht zu weit rauslehnen oder rumhampeln. Die lange Seite des Paddelblatts muss nach oben zeigen und beide Paddelblätter parallel eingestellt.
Jeder legt sich ein Paddel auf den Kopf. So wird die richtige Stellung der Arme und Hände ausprobiert.

Dann geht es los. Einsteigen. Dabei hilft ein mobiler Steg, denn bei 17 Grad Wassertemperatur würde es wenig Spaß machen, mit den Füßen durch die Warnow zu waten.

Ein mulmiges Gefühl zum ersten Mal in so ein wackeliges Boot zu steigen. Doch Ronald Kley beruhigt: Mit “Hoher Kippstabilität” der Boote ist das alles gar kein Problem. Alle sitzen, niemand ist nass geworden.
Im Haargraben, im Osten der Stadt, geht es los. Dies ist ein kleiner u-förmiger Wassergraben, der durch das Petriviertel führt. Keine Welle und niedriges Wasser. Perfekt, um sich mit dem Kajak anzufreunden und mit dem Paddeln vertraut zu machen. Bereits nach den ersten zehn Minuten ist jede Unsicherheit verflogen und alle kommen zusammen. Die Paddel liegen auf dem Schoß und Jeder hält sich am Rand des Nachbarbootes fest. Ronald Kley nennt dies liebevoll „Plastikinsel“.

Der erste Stopp. Micha erklärt warum das Wasser der Unterwarnow mal salzig und mal süß ist. „Je nachdem wie der Wind steht, wird anderes Wasser in die Warnow gelenkt.” Mit dem kleinen Finger wird probiert. Schmeckt süß. Also Südwind. 400 Meter geht´s weiter. Jeder in seinem Tempo, also bleibt auch Zeit sich die Umwelt genauer anzuschauen. Schilf und Vögel auf der einen, das Wohngebiet auf der anderen Seite. Man hört das durch die Paddel aufgewühlte Wasser, Vögel, den leichten Wind der durch das Schilf streicht. Erstaunlich ruhig für eine Hansestadt.

Vor der Vorpommern Brücke mit Blick auf die Petrikirche

Nächster Treffpunkt: Die Vorpommernbrücke.
Nächstes Thema: Stadtgeschichte und Namensgebung.
Die ersten Siedlungen wurden bereits um 600 von slawischen Kyzzinern errichtet. Rozstoc selbst wurde um 1165 erstmals erwähnt.

Durch die Strömung wird die “Plastikinsel” weiter getrieben.
Mal mitten ins Schilf, mal drehen sich die Boote im Kreis und mal können sich die Paddler einfach nur zurücklehnen und die Sonne genießen.
Dann ist wieder Muskelkraft gefragt.
Es geht weiter in den Stadthafen.

Die nächsten Stationen befinden sich mitten auf der Warnow. Genauer gesagt sind dies zwei Messtürme, die des Öfteren zum Zeit stoppen von Bootsrennen genutzt werden. Ein Blick auf Rostocks Skyline mit Kirchtürmen, Häusern, Schiffen und Kränen. Die Sonne bringt das Wasser zum Glitzern.
Wie nennt man die alten Handelsschiffe? Wie lang hat es gedauert mit einer Kogge von Rostock bis Russland zu fahren? Welches Tor kann am Hafenrand vom Kajak aus gesehen werden?
Micha stellt viele Schätz- und Wissensfragen, er bezieht jeden mit ein.

Blick von der Warnow auf die Rostocker Skyline mit Petrikirche, Speicher und Marienkirche (von links nach rechts).
Ehemaliger Eisbrecher Staphan Jantzen

Der letzte Halt bevor es wieder zurückgeht: Die Stephan Jantzen, ein alter Eisbrecher im Rostocker Stadthafen. Eine meterhohe schwarze Schiffswand ragt aus dem Wasser. Der Blick geht höher bis zur Brücke, noch weiter bis zur letzten Spitze des Schiffes. Erst dann erreichen die Augen den Himmel. So groß sieht er von der Hafenkante nicht aus… Selbst wenn der Eisbrecher nicht mehr in Betrieb ist, ist es ein überwältigendes Gefühl unter einem so großen Schiff in einem so kleinen Boot im Wasser zu sitzen.

Plötzlich zieht ein Segelboot nah an uns vorbei. Sehr nah. Zu nah. Hohe Wellen. Unsere Boote schaukeln auf dem Wasser, alle halten sich tapfer am Kajakrand fest und bleiben wie durch ein Wunder trocken. Obenrum jedenfalls, denn beim Paddeln ohne Spritzschutz wird der ein oder andere Tropfen, oder auch Eimer, mit ins Kajak und auf die Beine gebracht. Bei 25 Grad und Sonnenschein aber eine erfrischende Abkühlung.

Der Rückweg steht an. Jeder fährt wieder in seinem Tempo. Ganz entspannt. Bis wir zur Brücke kommen. Die Spitzen der Kajaks werden dorthin gebracht, wo die Petribrücke eine harte Schattenkante auf das Wasser wirft.
Auf die Plätze … fertig … und los.
Nach diesem Wettrennen zwischen Petri- und Vorpommernbrücke kann letztendlich jedes Kleidungsstück zum Trocknen in die Sonne gehängt werden.

Zurück am Startpunkt steigen alle aus den Booten aus. Das gestaltet sich schwieriger als das Einsteigen. Einen Fuß auf den Steg setzen…Mist! Das Boot treibt weg. Trotzdem schaffen es alle sich irgendwie aus diesem Spagat zu lösen und heil an Land zu kommen.
Zusammen laden Teilnehmer und Veranstalter die Boote zurück auf den Hänger, die Schwimmwesten werden zum Trocknen aufgehängt. Alle kommen zum Abschluss noch kurz zusammen.
Ein bisschen müde, aber mit vielen neuen Eindrücken geht jeder wieder seinen eigenen Weg und aus der zusammengewürfelten Gruppe ist wohl eine kleinen Familie geworden, zumindest für die gemeinsame Zeit auf dem Wasser.

Fotos und Text: Kira Müller