Zoologe Dr. Hinrich Zoller und die Arbeit mit dem Schwarzwild
Das Schwarzwild – genauer das Wildschwein – hat sich in den vergangenen Jahren in Europa deutlich vermehrt. In Rostock gibt es ebenfalls Probleme, denn Wildschweine die in das Stadtgebiet eindringen sind für den Menschen eine Gefahr und richten zusätzlich große Schäden von bis zu 100.000 Euro pro Jahr an. Um etwas gegen die wachsende Zahl an Wildschweinen zu unternehmen suchten die Hansestadt Rostock und das Landwirtschaftsministerium Mecklenburg Vorpommern vor fünf Jahren gemeinsam Hilfe. Diese fanden sie in Dr. Hinrich Zoller, einem erfahrenen Jäger und Zoologen.
„Die wollten jemand haben der weidmännisch Wildschweine versteht und bejagt, aber auch jemand, der über die Biologie, also wissenschaftlich an die Tiere herangeht und dadurch ist die Wahl dann auf mich gefallen.“ Projekte zur Wildschweinbekämpfung in Deutschland habe es laut Zoller zwar schon gegeben, jedoch nicht über einen längeren Zeitraum und nicht so wie es in Rostock praktiziert wurde. „Es gibt kaum noch eine Ecke wo das nicht kritisch ist mit dem Schwarzwild, wenn die Leute in der Stadt die Probleme nicht haben, dann sind es die Landwirte oder eben die Natur selbst. Die Forstböden werden einfach so dermaßen umgewühlt, dass […] nie mehr das erreicht werden kann, was sich vorher im Laufe von Jahrhunderten aufgebaut hat. Es sind einfach zu viele und noch dazu fressen die auch eine ganze Menge!“ Die Idee des Projektes war es, das Verhalten von Wildschweinen zu untersuchen, um dann aufgrund der erlangten Kenntnisse gezielte Bejagungsstrategien zu entwickeln. Dabei ist das Schwarzwild gar nicht einfach zu durchschauen. „Wildschweine die machen wirklich alles, teilweise sind die territorial, dann wieder nicht, dann laufen die Frischlinge der einen Bache mit ihrer Tante durch die Gegend […] also lauter Sachen die völlig neu sind, wo wir uns auch erhoffen davon Dinge ableiten zu können […].“
Pioniere mit Peilsendern
Seit Projektbeginn 2012 wurden über 50 Wildschweine mit Peilsendern ausgestattet. Diese erlauben es Zoller und seinem Team einen Einblick in die Bewegungsmuster und Lebensräume der Wildschweine zu erlangen. Bei dieser sogenannten „Besenderung“ musste jedoch jede Menge Pionierarbeit geleistet werden : „Nachts muss man unterwegs sein, wir arbeiten da mit Funkkameras, wir schauen eben, dass das richtige Schwein in der Falle steht[…]; das ist natürlich nicht so einfach, da sitzt man auch manche Nächte und sieht gar nichts.“ Wenn dann bei einem erwachsenen Tier die Betäubung nicht richtig wirkt oder schnell wieder nachlässt, können die Tiere natürlich auch aggressiv reagieren. Funktioniert alles so wie vorgsehen, wird den Jungtieren ein kleiner Sender an der Ohrmarke angelegt, die erwachsenen Tiere, die nicht mehr weiterwachsen, werden mit GPS Halsbändern ausgestattet. Ein Einzelnes dieser Halsbänder kostet bis zu 4000 Euro.
Zusätzlich zur Forschungsarbeit und der Datensammlung wurden natürlich auch viele Wildschweine zur Eindämmung der Populationsgröße erlegt. Bei allen mit der Arbeit in Rostock verbundenen Projekten seien es bisher ca. 300 Tiere. Doch Hinrich Zoller interessiert sich nicht nur durch das Projekt für Wildschweine. „Also ich finde die deutlich interessanter als Hirsche oder Rehe […] weil die halt so unglaublich anpassungsfähig und deutlich cleverer sind und mehr Grips haben als andere Wildarten.“ „Ich habe Wildschweine auch selbst schon mit der Hand aufgezogen.“
Probleme über Probleme
Neben der Aufgabe der Besenderung selbst stehen der Beherrschung des Schwarzwilds noch zahlreiche andere Faktoren im Weg. „Jetzt am Freitag wurde wieder eine Bache mit Halsband erlegt, weil der Jäger es in der Nacht nicht erkennen konnte. Wir haben nicht die Möglichkeit zum Beispiel Nachtsichtgeräte zu verwenden. Die gibt es zwar zu kaufen, die dürfen wir aber nicht benutzen […] Das kann man dann auch keinem in die Schuhe schieben außer vielleicht der Gesetzgebung.“ Überall können Hinrich Zoller und sein Team zudem auch nicht agieren. „Es gibt auch Jäger, die wollen nicht, dass die Wildschweine weniger werden und dann kommen wir da auch nicht ran, […] aber da wo wir rankommen, wo unter unserer Regie bejagt wird, da sind die Probleme jetzt weg […].“ Zumindest mit Kritikern ihrer Arbeit mussten sich die Forscher nicht lange befassen, denn durch die Kombination von Jagd und Wissenschaft konnten ihre Methoden von Anfang an objektiv belegt werden. „Das ging ja primär darum, dass wir wissen wie sich die Schweine verhalten und im Anschluss daran haben wir Theorien und basierend darauf dann Bejagungsstrategien entwickelt und umgesetzt und das alles wissenschaftlich aufgenommen.“
Die Maßnahmen werden weiterlaufen
Das vermutlich größte Hindernis bei der Arbeit mit den Wildschweinen jedoch ist, wie bei vielen anderen Forschungsprojekten auch, die Finanzierung. „Keiner fühlt sich dafür zuständig die Nummer zu finanzieren, es ist ein Riesenproblem an Gelder heranzukommen […] Alle wollen wissen was man machen kann, aber wenn es um das Geld geht […] glauben sie ja nicht, dass wir da viel bekommen.“ Das Forschungsprojekt in Rostock endet in diesem März: „Die Finanzierung läuft aus und der Endbericht ist dran, das heißt natürlich nicht, dass die in Rostock jetzt aufhören zu arbeiten, […] die Datenaufnahme und die verschiedenen Formen von Bejagungen, die werden da noch weiterlaufen.“ Die Arbeit mit Wildschweinen hat gerade erst richtig begonnen. Da auch andere Bundesländer Ärger mit den Tieren haben ist Hinrich Zoller nun sehr gefragt. „Jetzt gerade bin ich auf dem Weg nach Brandenburg in den Nationalpark Unteres Odertal […], da besendern wir gemeinsam mit den örtlichen Jägern und der Nationalparkverwaltung Schwarzwild.“ Das kann dann stellenweise sogar zu viel Arbeit werden. „Langeweile hat man nie, die Frage ist nur, wann es zu anstrengend ist. Dadurch, dass das es überall Schwarzwildprobleme gibt, musste ich auch schon Projekte absagen mit der Begründung, dass ich einfach keine Zeit mehr habe.“
Diese Arbeit entstand im Rahmen der Ausbildung zum Cross-Media Redakteur am mediencolleg Rostock im 1.Lehrjahr.
Text: Tobias Zimmermann
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